Kletterfreizeit Dolomiten Ev. Kinderheim Augsburg 1984

Bei diesen gemeinsamen Kletter-und Bergtouren in den Dolomiten konnten wir auch viele Menschen erleben - Menschen und Schicksale, an die wir mit Sicherheit noch lange denken werden. Ich konnte mit den Jugendlichen erleben, wie sich Bergunerfahrene in Kletterrouten  wagten und dabei ihr eigene Leistungsfähigkeit überschätzten. Sie brachten dabei sich, wie auch andere Kletterer in äußerste Gefahr und Notlagen. Daheim bei unseren Theorieabenden erfahren die Jugendlichen aus Lehrbücher, oder auch von mir selbst, wie man Schwierigkeiten und Gefahren im Gebirge entgegentreten kann. Doch hier konnten sie nun selbst erleben, wie unglaublicher Leichtsinn und Selbstüberschätzung im Gebirge zu einer Katastrophe führen kann......

 Pisciaduklettersteig
Ich machte mit 6 Jugendlichen den schon erwähnten Pisciadu-Steig Für alle Teilnehmer war es wieder mal die erste Begegnung mit dem Alpenraum und dem Hochgebirge. Trotz mehrmaliger Kontrolle der Selbstsicherungen kamen wir gut und zügig voran. Das Wetter war herrlich. Alles paßte an diesem Tage richtig zusammen - die gute Laune, die Kameradschaft und eine schöne Umgebung inmitten der Felsenlandschaft.

Überschätzung
Bald waren wir am letzten Steilstück, als plötzlich ein rauschen über unseren Köpfen war. Ich konnte gerade noch die Gruppe warnen. In diesem Augenblick sausten und flogen faustgroße Steine an uns vorbei. Peter wurde von einem Stein getroffen, hatte aber großes Glück, denn sein Steinschlaghelm bewahrte ihn vor größerem Schaden. Er hatte eine große Schürfwunde, die wir ohne große Problemen gut versorgen konnten. Wir erholten uns schnell von dem Schrecken und kletterten weiter. Vor mir sah ich schon die große Eisenleiter, die uns zu einem Quergang führte. Unterhalb der Querung sahen wir eine Frau in einer kleinen Höhle kauern. Sie heulte. Daneben stand ihr fluchender und schimpfender Begleiter. Ich erkundigte mich zögernd bei den Beiden, was denn passiert ist. Die Frau gab mir zu verstehen, daß sie von der Route abgekommen sind und jetzt nicht mehr weiter wissen. Sie dachten, es wäre eine leichte Tour, die jeder machen könnte. Außerdem meinte der Mann, er habe schon mal geklettert, sich aber wahrscheinlich zuviel zugetraut. Beide saßen nun in diesem Quergang. Vor ihnen ca. 400 m senkrecht abfallender Fels. Die Frau hatte nur leichte Turnschuhe an. Sie hatten weder Seil noch Karabiner dabei. Zum Glück hatte ich noch ein zweites Seil dabei und einige Reepschnüre sowie Karabiner.

Hilfe im  Hochgebirge
Ich mußte den Beiden erst zeigen, wie man sich an Klettersteigen anseilt und selbst sichern kann. Sie hatten keine Ahnung. Eigentlich hätte ich Beide uns Tal bringen müssen, doch ich hatte für meine eigene Gruppe die Verantwortung. Ich durfte diese auf keinen Fall alleine lassen. Wir machten mit den Leuten aus, wenn sie im Tal angekommen sind, das geliehene Kletterzeug unter unseren Bus zu legen. Wir wünschten nun den Beiden einen guten Abstieg und hofften natürlich, daß diese ohne weitere Schwierigkeiten im Tal ankommen. Uns war es nicht wohl. Es kamen schon erhebliche Zweifel auf, doch mehr konnten wir einfach nicht tun. Anhand dieser Geschichte, wie die Jugendlichen ja selbst erlebt haben, konnte ich ihnen erneut klar machen, wie gefährlich eine Selbstüberschätzung im Gebirge sein kann. Beide „Kletterer“ hatten sich natürlich total übernommen und vor lauter Unsicherheit und Angst, sind die Beiden dann von der eigentlichen Route abgekommen. Vor allem können solche Leute durch ihre eigene Unsicherheit andere Menschen bzw. Kletterer in große Gefahr bringen. An dem Steinschlag haben wir es selbst erfahren. Nur durch Instinkt und schneller Reaktion konnte ein noch größeres Unglück verhindert werden. Als wir dann am Abend wieder ins Tal abgestiegen sind, fanden wir das Seil unter unserem Auto. Dabei lag ein Zettel mit folgenden Zeilen: „Vielen Dank für Euere Rettung und Hilfsbereitschaft, anbei DM 100.- für einen vergnüglichen Abend. Eure dankbaren Wanderer“ Wir hatten natürlich einen vergnüglichen Abend und uns noch sehr viel zu erzählen  

 

                                             

                         Sachsendorf  •  2001-2008