Kletterwochenende mit Jugendlichen an der Konsteiner Wand/Altmühltal 1977

 

Schon früh am Morgen waren wir beim Klettern. Dabei waren 6 Jugendliche, Karl mein Kollege und ich. Wir kletterten an der oberen Konsteiner Wand. Es war eine Route im IV Schwierigkeitsgrad. Peter, unser Erfahrenster wollte die Route als erster in Angriff nehmen. Er ließ sich von oben sichern. Als Seilzweiter konnte er den Durchstieg schaffen -Karl, mein Kollege wollte die Klettertour natürlich unbedingt auch machen. Ich selbst traute ihm den Durchstieg nicht zu, da er sehr unsicher und zerfahren wirkt. Er war auch schon älter und einfach nicht mehr so konditionsstark wie ein Junger. Außerdem hatte er ständig Probleme mit seinem Knie. Ich wollte ihm die Kletterei ausreden, doch er bestand darauf. Inzwischen hat Peter diese Tour mit äußerster Mühe durchstiegen. Karl meinte nur, was Peter und die Jugendlichen können, kann ich in meinem Alter schon lange. Er wollte es natürlich den Zweiflern zeigen, und was er noch zu leisten vermag, was für ein toller Typ er noch ist. Mir war es ziemlich unwohl, denn er wollte die Klettertour als Seilerster durchsteigen. Direkt von oben gesichert hätte er die Tour eventuell schaffen können, aber von unten als Seilerster, hatte ich sehr große Bedenken. Nun, Karl ist alt genug und konnte selbst für sich entscheiden.

 

Sturz
Ich suchte mir nun einen geeigneten Standplatz, machte mich am Standhaken fest und sicherte Karl nun von unten mit der üblichen Halbmastwurfsicherung. Die Jugendlichen schauten gespannt und voller Erwartung zu. Die ersten Seillängen kam er ganz gut voran. Ich konnte Karl über die ersten 4 Haken ziemlich problemlos sichern. Es sah gut aus. Nun mußte er kraftraubend einen Riß hinauf bis zu einem Loch. Jetzt kamen aber die ersten Schwierigkeiten auf ihn zu. Ich merkte es. Auch am Seildurchlauf. Er wurde zunehmends langsamer und unsicherer. Er hatte nicht genügend Kraft. Karl kam nur noch mühsam und mit äußerster Anstrengung voran. Karl schrie plötzlich: „Ich habe keine Kraft mehr und seile mich die Wand runter“. Zu spät ! - Ein Reißen und ein schneller Ruck ging durch meinen Körper- das Seil schnellte durch meine Finger. Karl flog mit hohem Bogen aus der Wand. Das Seil wurde immer schneller, meine Hände brannten wie Feuer, doch ich konnte Karl abfangen, den Sturz halten ! Er pendelte noch ein paar Meter nach links und rechts, da er nicht direkt in der Fall-Linie gesichert werden konnte. Wir waren alle schockiert und total erschrocken.....Ich schrie zu Karl hinauf. Er reagierte auf mein Rufen. Gott sei Dank. Er kam langsam wieder zu sich und einigermaßen in der Lage, seine Situation abzuschätzen. Ganz langsam ließ ich Karl zum Wandfuß hinunter. Er war bleich und verstört. Seine Verletzungen waren gering, Verstauchungen und ein paar Schürfwunden. Wir waren natürlich alle sehr froh und erleichtert, daß nicht mehr passiert war. Es hätte alles viel schlimmer enden können. Karl war kaum ansprechbar. Auch die Gruppe war durch den Absturz total verstört und verunsichert. An diesem Tag konnte natürlich keiner mehr klettern. Wir alle fuhren wortlos heim. Abends, als alle Jugendliche in den Betten waren und schliefen, unterhielt ich mich noch mit meinem Kollegen über diesen schlimmen Vorfall. Er war sehr deppremiert über sein eigenes Tun und seine falsche Selbsteinschätzung. Aus Fehlern kann man natürlich sehr viel lernen - doch dieser Sturz -und die Überschätzung seines eigenen Könnens, hätte auch tragisch enden können.

 

So konnte ich immer wieder im Laufe der Jahre Erlebnisse sammeln, beim Klettern, Bergsteigen, wie auch in den vielen Klettergärten. Es wurden Erlebnisse, Geschehnisse über - Menschen, über Erwachsene,Jugendliche und Kinder.


 

                                             

                         Sachsendorf  •  2001-2008